Entfall der Haftung für Zahlung nach Insolvenz aufgrund Gegenleistung

BGH Urteil v. 04.07.2017, Az. II ZR 319/15

Hintergrund

Der Director einer englischen Limited mit Niederlassung in Deutschland hatte nach Eintritt der Insolvenzreife diverse Zahlungen über das Geschäftskonto sowie über die Barkasse der Gesellschaft vorgenommen. Dabei handelte es sich unter anderem um Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer der Gesellschaft sowie um Zahlungen an die Stadtwerke. Der klagende Insolvenzverwalter über das Vermögen der Limited erachtete diese Zahlungen als masseschmälernd im Sinne des § 64 GmbHG und verklagte den Director auf Ersatz.

Entscheidung

Der Insolvenzverwalter hatte mit seiner Klage Erfolg. Grundsätzlich haften Geschäftsleiter einer Limited (wie auch die einer Aktiengesellschaft, GmbH, GmbH & CO. KG und Unternehmergesellschaft) für jede Zahlung ab dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzreife. Die Haftung tritt selbst dann ein, wenn sie die Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzreife nur fahrlässig verkannt haben.

Bis zu seinem Urteil vom 18.11.2014 (Az.: II ZR 231/13) ließ der BGH die Haftung ausscheiden, wenn durch die Zahlung ein Gegenwert in das Unternehmen gelangt war, der im Interesse der Gläubiger später hätte veräußert werden können. So löste im damaligen Fall die Bezahlung einer Maschine keine Haftung aus, auch wenn diese erst viele Jahre später von dem Insolvenzverwalter hätte verwertet werden können. Gleiches galt auch dann, wenn die Maschine tatsächlich zwischenzeitlich weiterverkauft wurde und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gar nicht mehr vorhanden war. Weit verbreitet war danach die Auffassung, dass das Selbe hinsichtlich bezogener Waren, Dienst- und Arbeitsleistungen gelten müsse. Denn nur durch Bezahlung dieser Lieferungen und Leistungen könne das Unternehmen ebensolche überhaupt erlangen.

Im vorliegenden Fall entschied der BGH jedoch anders: Entscheidend sei, dass durch die Zahlung des Unternehmens dessen Aktiva tatsächlich erhöht würden. Etwaige Warenbezüge seien grundsätzlich zu niedrigeren Liquidationswerten anzusetzen. Bei geringwertigen Verbrauchsgütern sei ein solcher regelmäßig nicht feststellbar.

Dies bedeutet im Ergebnis, dass der Geschäftsleiter im Fall der Insolvenz mit eingeschränktem Haftungsrisiko Grundstücke, Maschinen, Fahrzeuge und andere „handfeste“ Assets für die Gesellschaft erwerben und bezahlen kann. Jede Zahlung an Arbeitnehmer, Dienstleister und auch Warenlieferanten führt jedoch zu einer vollumfänglichen persönlichen Haftung.

Tim Bäuerle, LL.M (Edinburgh), Rechtsanwalt