Anfechtung einer Erbschaft bei überschuldetem Nachlass

OLG Köln Beschluss vom 15.05.2017, Az. 2 Wx 109/17

Hintergrund

Im Prozess ging es um die Erbfolge einer verstorbenen Kölnerin. Mangels Testament waren ihr Ehemann und die beiden Geschwister der Verstorbenen als gesetzliche Erben berufen. Die Schwester schlug die Erbschaft direkt aus. Der Bruder hingegen ließ die gesetzliche Frist zur Ausschlagung der Erbschaft zunächst verstreichen, sodass die Erbschaft für ihn als angenommen galt. Später erklärte er jedoch die Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Irrtums. Er habe nicht gewusst, dass der Nachlass überschuldet sei. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Erblasserin vor ihrem Tod eine Abfindung in Höhe von ca. 100.000 € erhalten habe. Ein Kontostand wenige Monate vor dem Tod habe ca. 60.000 € ausgewiesen. Seine Bemühungen, von dem Ehemann Auskünfte über den Verbleib der Abfindungssumme zu erhalten, seien erfolglos geblieben. Insgesamt habe er damit von einem werthaltigen Nachlass ausgehen dürfen. Diese Erwartung habe sich nicht erfüllt.

Entscheidung

Das Gericht bestätigte die Wirksamkeit der Anfechtung.

Sei der Nachlass überschuldet, werde der Erbe die Erbschaft in der Regel vernünftigerweise innerhalb der gesetzlichen Frist von sechs Wochen ausschlagen. Stelle sich die Überschuldung des Nachlasses aber erst nach Annahme der Erbschaft durch ausdrückliche Erklärung oder eben Ablauf der Ausschlagungsfrist heraus, könne der Erbe berechtigt sein, dies wegen Irrtums nachträglich anzufechten. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass sich der Erbe sich überhaupt ernsthaft mit dem Nachlass auseinandergesetzt habe und von der Werthaltigkeit des Nachlasses ausgegangen sei.

Aufgrund der in diesem Fall vorliegenden konkreten Anhaltspunkte hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses habe der Erbe einen werthaltigen Nachlass erwarten dürfen. Gemäß § 119 II BGB sei er damit wegen Irrtums über die Überschuldung des Nachlasses zur Anfechtung berechtigt.

Gerda Trautmann-Dadnia, Fachanwältin für Familienrecht