BGH: Beschluss vom 08.02.2017, Az. XII ZB 586/15

Entscheidungserhebliche Normen: § 1741 Abs. 2 BGB, § 1755 Abs. 1 BGB; Art. 6 Abs. 1, 2 GG, Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 8 EMRK

Hintergrund

Antragstellerin und Antragsteller leben seit 2007 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Die Antragssteller begehrten, dass der Lebensgefährte der Frau deren minderjährige Kinder adoptieren kann, sodass diese die Stellung als gemeinsame Kinder der Antragsteller erlangen.

Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht wiesen den Antrag zurück. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragssteller ihr Begehren weiter.

Beschluss

Der BGH hat beschlossen, dass

  • eine weder verheiratete noch verpartnerte Person nicht das Kind ihres Partners adoptieren kann, ohne dass das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Kind und Partner erlischt.
  • die entsprechenden Regelungen §§ 1741 Abs. 2, 1755 Abs. 1 BGB nicht verfassungswidrig und auch nicht konventionswidrig sind.

Die Rechtsbeschwerde wurde zurückgewiesen.

Begründung

Die Regelung des § 1741 Abs. 2 S. 1 BGB lasse keine Auslegung im Sinne des Antrages zu.

Der Gesetzgeber differenziere in § 1741 Abs. 2 BGB zwischen Ehegatten und Nicht-Verheirateten. Letztere könnten ein Kind nur alleine annehmen. Eine Regelung für nicht verheiratete und nicht verpartnerte Lebensgefährten existiere nicht.

Der Gesetzgeber nähme an, dass im Sinne des Kindeswohls nur eine "harmonische und lebenstüchtige" Familie um ein Ehepaar geeignet sei (heute auch eingetragene Lebenspartnerschaft). So können Ehepaare auch Stiefkinder und Fremdkinder als gemeinsame Kinder haben.  Nicht verheirateten Personen habe der Gesetzgeber keine entsprechenden Rechte eingeräumt. Nach Wortlaut, Gesetzessystematik und Sinn und Zweck sei keine andere Auslegung möglich.

Eine konkrete Normenkontrolle der §§ 1741 Abs. 2, 1755 Abs. 1 BGB sei nicht gefragt. §§ 1741 Abs. 2, 1755 Abs. 1 BGB seien nicht verfassungswidrig.

Weder Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG (Pflege und Erziehung der Kinder durch die Eltern), noch Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie), noch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG seien verletzt. Zwar übe der Lebensgefährte hier gegebenenfalls die Rolle als sozialer Elternteil aus. Diese sei zwar notwendige Voraussetzung für die verfassungsrechtliche Elternschaft, allerdings nicht hinreichend. Soziale Elternschaft begründe für sich nicht verfassungsrechtliche Elternschaft.

Der Verbindung zwischen Kind und sozialem Elternteil sei durch Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie) Rechnung getragen. Dieser reiche über die Elternschaft hinaus und beziehe auch andere Familienarten ein. Eine versagte Adoption greife allerdings nicht in das Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG ein (Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts), sondern stelle die rechtliche Ausgestaltung der Familie durch den Gesetzgeber dar (Elternstatus). Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet bei einer faktischen Elternschaft das volle Elternrecht zu gewähren.

Der allgemeine Gleichheitssatz sei nicht verletzt, da letztlich wesentlich Ungleiches ungleich behandelt werde. Die Vergleichsgruppen sind hier Verheiratete einerseits und Nicht-Verheiratete andererseits. Der Zweck des Gesetzgebers Kindern eine stabile Lebensumgebung und Elternbeziehung zu gewährleisten sei die maßgebliche sachliche Rechtfertigung. Dabei dürfe der Gesetzgeber auf die rechtlich abgesicherte Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft abstellen. Möge auch die Lebenswirklichkeit sich verändern, so bleibe der rechtliche Unterschied doch bestehen. Insbesondere sei dies relevant, weil die Ehe nach § 1353 Abs. 1 BGB auf Lebenszeit ausgelegt sei, eine Aufhebung oder Scheidung sei an Bedingungen geknüpft. Dazu käme die Verpflichtung der Ehegatten sich und die Familie durch Arbeit und Vermögen zu erhalten (§ 1360 BGB). Diese Verpflichtung bestehe für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht.

Die §§ 1741 Abs. 2, 1755 Abs. 1 BGB seien auch nicht konventionswidrig. Das Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses bei Adoption durch einen nicht-verheirateten Partner wird von Art. 8 EMRK grundsätzlich gedeckt. Anders hätte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nur im Fall der Adoption einer volljährigen behinderten Person entschieden, da dort eine besondere Situation von Abhängigkeit vorliege. Im vorliegenden Fall des BGH seien die Kinder aber minderjährig und daher ein Interesse des Gesetzgebers an einer stabilen Beziehung besonders wichtig. Bei einer Volljährigenadoption blieben in Deutschland die verwandtschaftlichen Beziehungen des Angenommenen unberührt.

Das neue Europäische Adoptionsübereinkommen vom 27.11.2008 öffnete die gemeinsame Adoptionsmöglichkeit auf gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare in einer stabilen Beziehung. Dies stelle aber keine bindende Wertentscheidung dar.

Abschließend bestehe für die Antragssteller die Möglichkeit der Eheschließung.

Auswertung

Der BGH erläutert in seinem Beschluss die Relevanz der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft als rechtliche Konstrukte, die eine stabile Beziehung zwischen den Partnern und auch in der Familie darstellen oder zumindest indizieren. Daran darf der Gesetzgeber in seinen Regelungen anknüpfen, auch wenn die moderne Lebenswelt vielgestaltige Formen der Partnerschaft aufweist.

Diese vielfältigen Formen stehen als Familie gleichwohl unter dem Schutz des Grundgesetzes nach Art. 6 Abs. 1 GG. Die gleichen elterlichen Vollrechte wie bei der Ehe resultieren daraus aber nicht.

Gerda Trautmann-Dadnia, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht